Der Unterschied zwischen der Blüte und dem Boden, aus dem sie wächst, ist entscheidend! Das Zweisein und das Einssein ergänzen sich in der gefühlten Leere
Der Titel sagt eigentlich alles: die Sehnsucht nach Oneness ist eine Falle, in die jeder Esoteriker solange tappt, wie er die unendliche Leere nicht im Innersten seines hohlen Ichs selber spürt, sondern sie als Gedankenkonstrukt dualistisch abspaltet und dann auf die ganze Welt projiziert. Aber die sogenannte Welt ist eben genau jene Ebene der Wirklichkeit, auf der alles ZWEI ist, in Form von fein sauber voneinander abgrenzbaren Phänomenen. Für diese dinghafte Ebene ist die Sprache gemacht, hier wird verhandelt und in Beziehung zueinander gesetzt. Alles bekommt einen Namen und einen Wert und kann dadurch kommuniziert werden. Hier gibt es nichts Mystisches und Geheimnisvolles, hier herrscht die brutale Klarheit des Sonnenlichts. Alles ist sichtbar und wird gesehen. Das Ding ist ein Ding und die Welle ist eine Welle. Der Apfel ist keine Banane, der Mensch ist kein Tier. Die Wolken ziehen vorüber, das Meer rauscht am Strand. Wo liegt das Problem? Alles ist da. Alles ist Welt. Und die Welt ist schön. Nur eine missverstandene Mystik führt den Esoteriker in die Versuchung, aus allem eins machen zu wollen anstatt diese Zweiheit der Dinge zu würdigen und zu genießen. Er meint, es sei schlimm und entfremdet, daß alles für sich steht und erst ins Gespräch kommen muß, um in Verbindung zu treten. Er wünscht sich nichts sehnlicher als einen kosmischen Einheitsbrei, in dem dann sein eigenes Ich aufgelöst werden soll. Aber was hat er denn gegen sein eigenes Ich? Es befähigt ihn, zu kommunizieren, sich mit der Welt auseinander- und zusammenzusetzen. Ohne sein Ich wäre er wieder im Stadium eines Kleinkindes, das die Welt nur mit großen staunenden Augen beglotzt und nicht beim Namen nennen kann, weil die Namen in diesem Zustand noch nicht erfunden sind. Hat das einen Vorteil für sein Überleben? Hätten wir eine Zivilisation entwickelt? Tiefe Verbundenheit zwischen allen Dingen herstellen zu wollen, erfordert zunächst einmal, die Dinge überhaupt zu sehen. Im Detail. Einzeln. Jedes für sich. Wenn sich die Welt in der Wahrnehmung wie eine Blüte aufblättert und wir die einzelnen Blütenblätter zusammenzählen, dann sehen wir die ganze Blüte und spüren, wie sie aus einem Stengel wächst, der aus dem Boden kommt. Dort wohnt die unendliche Leere, im Wurzelwerk ganz tief im Erdreich. Genauso fühlt sich die innere Mitte des Menschen an, wenn er sein Ich als die Blütenblätter empfindet, jedes Blatt als ein anderes Teil-Ich - und tief in seinem innersten Wesenskern ruht wie der Boden mit seinen Wurzeln bis in die bodenlose Tiefe, wo die Leere des Ganzen zuhause ist. Hier findet die Einheit statt, nicht in der äußeren Welt der Erscheinungen! Wer die Blüte mit der Bodenlosigkeit der Wurzeln verwechselt, der ist diesem mystischen Missverständnis verfallen, das Einssein auf einer falschen Ebene herbeizaubern zu wollen. Die Einheitsfalle ist dann erbarmungslos zugeschnappt und hat den Esoteriker mit seinem romantischen Aberglauben geboren.